Ein Plädoyer für die Intuition
von Catherine André
Es wäre eine Verschwendung, wenn wir unser unbewusstes Wissen einfach ignorieren, denn die meisten Prozesse unseres Denkens arbeiten im Unbewussten.
In unserer schnellen Zeit wird Intuition oft als ein Zeichen von Schwäche bewertet, weil ihr (vermeintlich) die harten Fakten und die Beweise fehlen, denen wir heute soviel vertrauen. Wenn ich in meinem Beruf intuitiv handle, gehe ich das Risiko ein, als unprofessionell, unwissend oder als Scharlatanin beurteilt zu werden.
Dieses gestörte Verhältnis zur Intuition gab es nicht immer! Im Abendländischen Denken galt Intuition als die sicherste Form der Erkenntnis: Man befragte das Orakel von Delphi, fragte Weise, Engelswesen und Zauberer nach deren Eingebungen und handelte danach. Man nahm an, das diese spirituellen Wesen, einen Zugang zu Quellen hatten, die dem Normalsterblichen verschlossen waren.
Aber was ist Intuition überhaupt? Es ist etwas, was man auch Bauchgefühl nennt und nicht so richtig verorten kann, woher es kommt:
- etwas was rasch und ohne Vorwarnung im Bewusstsein auftaucht;
- wir können es nicht bewusst verstehen oder erklären;
- es ist stark genug unser Handeln zu steuern;
- man spürt, was man tun sollte, ohne erklären zu können warum.
Heute rehabilitieren moderne spirituelle Leader sowie Neurowissenschaftler die Intuition – denn sie sehen in ihr, unsere unbewusste Intelligenz. Joe Dispenza (1) ist einer davon: „Du musst nur aus dem Weg gehen und Deine unbewusste Intelligenz (Intuition) entscheiden lassen“. Ich habe es versucht und kann es nur empfehlen!
Auch Gerd Gigerenzer (2) gehört dazu: „Intuition ist unsere unbewusste Intelligenz, welche die meisten Regionen unseres Gehirns nutzt. Logisches Denken ist der Intuition nicht überlegen und wir brauchen beide Systeme in Harmonie um klar zu denken und vor allem um zu entscheiden. Intuition basiert auf intelligenten Faustregeln und viel persönlicher Erfahrung, die in unserem Unterbewusstsein verborgen liegen“.
Wir verlassen uns heute zu sehr darauf, dass sich alle Probleme durch Logik lösen lassen. Ich finde, dass ist eines der ganz grossen Missverständnisse, wenn es um menschliche Fähigkeiten geht. Leider prägten Irrlehren in Religion, Medizin und auch in der Psychologie ein Negativbild der Intuition: Sie sei schwach, eine Gefahr zur irrationalen Handlung sowie fehlerträchtig. Sogar die Gründer der Psychologie stuften die Intuition als schlecht, schwach und wer glaubst, als weibliches Attribut ein. Das menschliche Denken wurde in ein fehlerhaftes intuitives System (weiblich) und ein rationales logisches System (männlich) eingeteilt.
Intuition und Emotion = Ein Powerpaar!
Eine geballte Ladung in jeglicher Hinsicht. Aber schon nur der Gedanke daran, man könnte auf der Basis von Emotionen entscheiden, löst pures Unverständnis aus: „Was Sie haben eine Intuition und entscheiden dazu noch auf der Basis Ihres Gefühls? Das geht aber gar nicht, wo bleibt da die Logik“?
Was, wenn die Erkenntnisse aus der Hirnforschung stimmen und wir 90% aller Entscheidungen unbewusst und emotional treffen? Wer wäre dann der wirkliche Entscheider? Die Logik, der sogenannte rationale Verstand oder aber die Intuition, das sogenannte schwache, fehlerhafte Denksystem?
Nun, es zeigt sich klar ab, dass das spontane oder reflektierte Verhalten eines Menschen geprägt wird von seinen Emotionen und nicht von seinen rationalen Überlegungen. Der Hirnforscher Gerhard Roth (3) von der Universität Bremen drückt es noch radikaler aus: „Nicht die Vernunft lenke primär unser Handeln, sondern Affekte und Emotionen“.
Heisst das nun Kopf oder Bauch?
Solange noch nicht ganz klar ist, was sich wann genau und wirklich in unserem Gehirn abspielt, wage ich keine Empfehlung abzugeben. Was ich aber teilen kann, ist ein Vorgehen, welches ich seit Jahren selber praktiziere und jeden Tag trainiere. Ich glaube an den paradoxen Effekt, dass heisst, je komplizierter eine Entscheidung, desto weniger nutzt langes Nachdenken.
- Ich versuche zuerst die Sachlage einer Situation rational zu überdenken (Faktensammlung). Dabei ist es mein Bestreben, so wenig wie möglich die Dinge, die ich sehe zu „bewerten“. Ich versuche daran zu denken, dass meine Alltagslogik fehleranfällig ist. Dasselbe gilt für mein Vorwissen der Angelegenheit, welche ich kritisch überprüfen muss – sonst laufe ich Gefahr, auf der Grundlage von unbewussten Denkfehlern zu entscheiden.
- Ich schreibe mir verschiedene Lösungen auf, handle aber nicht sofort danach, sondern
- meditiere oder überschlafe (4) das Ganze und entscheide mich dann gefühlsmässig für eine der vorbereiteten Lösungen. Wenn ich mich nicht entscheiden kann, dann „flip the coin“.
Beim Sammeln und Abwägen entscheidungsrelevanter Information ist es also angebracht einen kühlen Kopf zu bewahren, jedoch sollten wir auch unser Bauchgefühl (unsere Intuition) einbeziehen. Es scheint sich abzuzeichnen, dass wir am effektivsten entscheiden, wenn Ratio und Intuition Hand in Hand gehen und das geschieht am besten im Schlaf oder in der Meditation; also: Gehen Sie Ihrer Intuition aus dem Weg, stören Sie sie nicht mit lautem Denken und “überschlafen” Sie wichtige Entscheidungen.
Fazit: Wenn Sie oder jemand ein Bauchgefühl hat, hat es keinen Sinn nach dem Warum zu fragen. Denn das Bewusstsein hat keine Antwort darauf. Fragen sie sich lieber ob Sie oder die andere Person, diejenige ist, welche auf dem betreffenden Gebiet die grösste Erfahrung hat. Wenn ja, dann glauben Sie ihrer Intuition und handeln Sie gefühlsmässig!
„Der intuitive Geist ist ein Geschenk, der rationale Geist ist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat!“ von Albert Einstein
1 – Dr. Joe Dispenza ist Neurowissenschaftler, der sich mit Hirnbildgebung, Neuroplastizität, Epigenetik und Psychoneuroimmunologie beschäftigt.
2 – Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition
3 – Gerhard Roth, Prof. Dr. Dr., ist Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen und Geschäftsführer der Roth GmbH
4 – Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Schlafen einen wichtigen Beitrag zu der Qualität unserer Entscheidungen beitragen kann. Im Schlaf verarbeitet das Hirn alle wichtigen Aspekte ungestört und vernetzt sie mit verborgenem Wissen – mit unserer unbewusstenIntelligenz (Intuition).